Wenn man bei Aldi, Lidl und co. Fleisch
im Kühlregal liegen sieht, ist jedem bewusst unter welchen Umständen
das Tier gelebt und hat und wie es gestorben ist. Von daher gehen wir
zu unserem Neuland Fleischer oder an die Bio-Frischfleischtheke, um
ein Stück Filet oder Schnitzel von einem glücklichen Tier zu
kaufen. Denn das beruhigt zum einen unser Gewissen, zum anderen
handeln wir nachhaltig und unterstützen den Biobauern für seine
aufwendige Arbeit, das Fleisch nicht unter tierunwürdigen
Bedingungen zu produzieren. Alles richtig gemacht, würde man meinen.
Aber hat das Bio-Schwein, was meist 40-50% teurer im Verkauf ist,
auch ein besseres Leben? Und für wen lohnt sich das Bio-Siegel
wirklich?
http://cdn.pronatur24.eu/wp-content/uploads/2012/01/glueckliche_schweine_bio_660.jpg
Bevor wir die Frage beantworten können,
müssen wir uns vergegenwärtigen, wie ein Bio-Schwein in unserer
Vorstellung lebt. Es fängt an mit einem idyllischen Bauernhof fern
ab der Stadt, mit grünen Wiesen soweit das Auge reicht. In unserer
Vorstellung läuft nun dieses Bio-Schwein (wir nennen es hier Erwin)
auf einer dieser grünen Wiesen mit seinen Artgenossen, grunzt vor
sich hin und ist glücklich. Erwin wird nie krank, da er auf das
schädliche Gen-Soja verzichten darf, welches nur in der
Massentiermast gefüttert wird. Erwin kann sich also als kleiner
Glückspilz bezeichnen, weil er zu den knapp 1% Schweinen in der
Biozucht zählt und daher gesundes Bio-Futter, bestehend aus Weizen
und Gerste bekommt. Er kann abends in einen Stall voll frischem Heu
und wenn er wirklich mal krank ist, wird er mit alternativen
Heilmitteln behandelt.
Wie sieht die Wahrheit denn nun aus?
Kann es solch eine Vorstellung von einem Schweineleben im
Wirtschaftskreislauf der Fleischproduktion wirklich geben? – Leider
nein, denn in der Fleischproduktion ist das Bio-Siegel eine reine
Farce aus Vorschriften, die für den Verbraucher gemacht wurde. Weder
das Tier noch der Landwirt sind zufrieden damit. Erwin hat kein
glückliches Leben und sein Landwirt hat extrem hohe
Kostenaufwendungen und Vorschriften einzuhalten, denn die EU-Öko
Verordnung, arbeitet wirtschaftlich. Die Auflagen für die
Bio-Tierhaltung lassen die Unterhaltskosten steigen, da nur
Bio-Produkte verfüttert werden dürfen. Antibiotika sind nicht
verboten, die Wartezeit erhöht sich nur um einige Wochen, bis das
Tier schließlich geschlachtet werden darf. Eine artgerechte
Tierhaltung ist hiermit auch nicht gesichert. Denn ein 100kg
Bio-Schwein hat einen Platzanspruch von 2,3 m² für sich. Auf diesem
Platz kann es ca. 2-3 Schritte laufen und sich mit Glück einmal um
sich selbst drehen. Eine Mastsau hat noch viel schlechtere Umstände,
unter denen sie zu leben hat. Denn auch in der Bio-Schweinezucht sind
sogenannte Kastenstände erlaubt und in ständiger Benutzung. Weder
die Ferkel noch die Sau sehen in dieser Zeit das Tageslicht, das
Mutterschwein kann sich in dieser Vorrichtung meist garnicht bewegen.
Auslauf auf grünen Wiesen ist keine Vorschrift für Bio-Tiere. Die
Tiere haben allerdings die Möglichkeit auf einem befestigten Boden
ihren Freilauf zu genießen – eine kleine Fläche im Stall, in der
sie sich den Freilauf auf Ihrem Bio-Siegel verdienen dürfen. Leider
ist die Bio-Haltung von Schweinen sehr kompliziert, weswegen es kaum
Landwirte gibt, die diesen Schritt auf sich nehmen wollen. Die Kosten
steigen, die Auflagen werden strenger, Bio-Weizen und Gerste trägt
häufig gefährliche Schimmelpilze mit sich, weswegen Sau und Ferkel
erkranken, sterben oder nicht richtig wachsen können. Daraus folgt,
dass Bio-Tiere viel häufiger mit Antibiotika behandelt werden
müssen. Die Sterberate in konventionellen Betrieben, ist weit aus
kleiner. Was ist also die richtige Einstellung? Aus welcher Sicht
kann bzw. muss das beurteilt werden?
Für die Schweine macht es kaum einen
Unterschied ob bio oder konventionell, die Landwirte haben einen
höheren Kostenaufwand aber handeln dennoch in die eigene Tasche.
Denn wenn es ums Geldverdienen geht, ist es den Bauern ziemlich egal,
ob die Tiere artgerecht gehalten werden. Und wir als Endverbraucher
denken immer noch, das Erwin in der Theke der Neuland Fleischerei ein
glückliches, schweinisches Leben genossen hat.
Es ist also schwer, im Bezug auf die
Fleischproduktion und den eigenen Konsum wirtschaftlich zu handeln
und auf Nachhaltigkeit zu plädieren. Die Vorschriften werden
umgangen oder unsauber eingehalten. Viele Leute sehen nicht ein,
etwas mehr für ein Stück Fleisch auszugeben, andere können es
einfach nicht. Der Kreislauf wird solange bestehen bleiben, bis es
eine Mehrheit an Verbrauchern gibt, die sich für den artgerechten
und fairen Fleischhandel einsetzen wird. Dieses Bewusstsein in die
Köpfe von Menschen zu projizieren, wird lange dauern. Und nicht
überall erfolgreich sein. Denn der Mensch ist egoistisch und wird so
handeln, wie er es mit sich selbst am ehesten vereinbaren kann. Der
Kreislauf dieser Massenproduktion wird also nie enden, wenn es keine
strengeren Vorgaben geben wird.
Quellen:
Marquart, M. und Christian Teevs.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/schweinemast-vergleich-der-konventionellen-mit-bio-haltung-a-882816.html
(28.01.2016)
Sebald, Christian. Herrmannsdorfer
Landwerkstätten: Kritik an der Tierhaltung.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-hermannsdorfer-landwerkstaetten-von-wegen-artgerechte-tierhaltung-1.2837149
(28.01.2016)
o.A. Biohaltung von Schweinen.
http://www.biowahrheit.de/inhalt/schwein.htm (28.01.2016)
o.A. Die Bio-Lüge.
http://www.biowahrheit.de/inhalt/hintergrund.htm (28.01.2016)
EG-Öko-Basisverordnung (EG) Nr. 834/2007.
https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/OekologischerLandbau/834_2007_EG_Oeko-Basis-VO.html;jsessionid=02A3B3C60130B4E9EBF28C982BC8B772.2_cid358
Sehr interessant geschriebenes abstraft!
AntwortenLöschenIch hab mir nie wirklich Gedanken gemacht, was Bio eigentlich bedeutet und ich gehe auch mal davon aus, dass der Großteil der Bevölkerung einfach nur davon ausgeht Bio ist "besser". Die beschriebenen Vorschriften sind unzureichend und das ganze hat mit Bio für mich nicht viel gemeinsam.
deinen Schreinstil finde ich toll. So macht das lesen eines solchen Blogeintrages sehr spaß.
AntwortenLöschenIch glaub allerdeings, dass es erst eine veränderung der Schweinehaltungsverhältnisse gibt, wenn wir begreifen, dass wir nicht mehr so viel Fleisch essen können, wenn wir wollen das die Tiere glücklich leben. Nicht nur aus Geld gründen, sondern auch aus Kapazitätsgründen.
Interessantes Thema und interessant geschrieben!
AntwortenLöschenIch selbst zähle mich auch zum Großteil der Bevölkerung für den Bio gleich besser ist, bzw war. In Zukunft werde ich wohl etwas skeptischer mit Bio-Produkten umgehen.
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschen