Ökonomische
Bildung mit dem Hintergrund Dyskalkulie an einem Beispiel
Ich
gehe davon aus, dass viele den Begriff „Dyskalkulie“ nicht
kennen.
Die
Definition: "Bereits im Kindergartenalter entwickelt sich ein
Vorläuferwissen über die Bedeutung von Zahlen und Mengen. Diese
Kenntnisse erweitern Kinder in den ersten Schuljahren – sie
erlernen die Grundrechenarten und verinnerlichen die Basis
mathematischer Logik. Jeder Lernschritt baut dabei auf den
vorangegangenen auf.
Dyskalkulie
erschwert diesen Lernprozess erheblich: Den betroffenen Kindern
fehlen das nötige Mengenverständnis und die Zählfertigkeiten, um
die Grundrechenarten erlernen zu können. Sie verstehen Zahlen als
reine Symbole, nicht als Mengenangaben. Damit fehlt ihnen bereits das
wesentliche Handwerkszeug, um Lernschritte in der Mathematik zu
verinnerlichen." [1]
Auf
Deutsch heisst das einfach: Matheschwäche.
Dyskalkulie
hat extrem viele Facetten. Ich betrachte eine näher.
Ich
werde die ökonomische Bildung am Beispiel meiner Großcousine
beschreiben, die Dyskalkulie in späteren Jahren als Diagnose
erhalten hat.
Sie
hat keine Vorstellung von Mengenverhältnissen, Umrechnungen oder
Raumvorstellungen. Die Liste ist, was Mathematik betrifft, sehr lang.
Und sie ist noch länger, denn Dyskalkulie legt sich auch auf andere
Bereiche wie Chemie, Physik, Informatik und Teile der Biologie um.
Und
auch auf den privaten Haushalt. Denn der Betroffene hat keine
Geldvorstellungen. Als sie ihr erstes Taschengeld bekommen hat, war
sie in der dritten Klasse. Sie hat 3 DM bekommen und lief zum
Supermarkt. Dort kaufte sie sich Gummibärchen und wunderte sich,
warum sie nur einen Pfennig zurückbekam. Sie hatte keine Ahnung, was
2,99 DM im Endeffekt waren und dass sie ihr gesamtes Taschengeld
gerade für schlechte Süßigkeiten rausgeschmissen hat.
Dies
ging fast 15 Jahre so weiter. Sie bekam erhebliche Probleme in der
Schule. Ihre Lehrer interessierte es gar nicht. Sie bekamen es nicht
auf die Reihe, ein Ergebnis aus den Leistungen der einzelnen Fächer
zu ziehen bzw. sie hatten es einfach niemals probiert.
Des
Weiteren bekam meine Großcousine erhebliche Probleme was das Geld
anbelangte. Da keiner wusste, dass sie Dyskalkulie hatte, gab sie ihr
Geld mit vollen Händen aus. Sie hatte viele Jahre nur mit ihrer
EC-Karte bezahlt und hatte keine Aufstellung der eigentlichen
Verbrauchskosten. Sollte sie dennoch einmal bar bezahlen, hat sie es
nicht geschafft, das Wechselgeld ordentlich auszurechnen. Das war
auch der Grund, wieso sie nachher nur noch mit Karte bezahlt hat. Sie
wollte sich niemals die Blöße vor anderen geben, dass sie erst mal
einen Taschenrechner bräuchte, um das korrekte Wechselgeld
ausrechnen zu können.
In
ihrer Ausbildung hatte sie eine sehr gute Lehrerin in Rechnungswesen.
Sie sollte in den ersten 2 Monaten Brüche und Prozentrechnung
wiederholen. Dadurch, dass sie aber keine Mengenvorstellung besaß,
schrieb sie eine glatte 6. Meine Großcousine ging zu ihrer Lehrerin,
die sich mit ihr hingesetzt und die Probleme angehört hat. Die
Lehrerin telefonierte sich die Finger wund, um meiner Großcousine zu
helfen. Im Endeffekt kamen sie auf die Diagnose Dyskalkulie. Dies
musste nur noch ein Test bestätigen.
Da
es aber in Deutschland keine Tests für Erwachsene gibt, war diese
Sache sehr schwierig. Im Endeffekt hat sie einen Kindertest erhalten.
Dabei stellte sich die Diagnose Dyskalkulie endgültig heraus. Bei
einem Gespräch über die Auswertung wurde ihr mitgeteilt, dass es
immer mehr Schüler mit dieser Diagnose gibt. Diese Schwäche steht
bis heute aber immer noch sehr im Hintergrund, da sich die Lehrer
grundsätzlich eher auf die Lese-Rechtschreib-Schwäche
konzentrieren. Auf Dyskalkulie wird nicht geachtet. Es gibt mehr
Menschen in Deutschland, die über 20, 30, 40, 50 sind und noch
älter, die Dyskalkulie haben. Nur keiner weiß es, da es nie publik
gemacht wurde.
Meine
Cousine hat danach bei einer anderen wunderbaren Lehrerin beim VHS
Bildungswerk in Brandenburg/Havel "Krücken" in die Hand
bekommen. Brüche kann sie immer noch nicht rechnen und wird es nie
können, aber Prozentrechnung geht mittlerweile super. Nur einen
Taschenrechner wird sie immer brauchen. Aber was viel wichtiger ist,
sie hat Hilfe bezüglich des Geldes bekommen. Sie weiß nun, wie sie
mit genau diesen "Krücken" sparen kann und auch einfach
einkaufen kann, ohne dass nachher ein Loch in ihrer Geldbörse ist.
Sie
schämt sich nicht mehr dafür, erst einmal in Ruhe das Wechselgeld
auszurechnen.
Denn genau das haben ihr diese beiden wunderbaren
Lehrerinnen mitgegeben: das Selbstbewusstsein, mit dieser Schwäche
besser umzugehen!
Und
genau auf diesen Punkt möchte ich mit dieser Erzählung hinaus.
Ökonomische Bildung ist extrem wichtig! Egal, ob es sich um
"normale" Menschen ohne Schwäche handelt oder gerade um
jemanden mit Schwäche. Die Lehrer müssen auf ökonomische Bildung
achten. Und wenn sie Probleme bei den Schülern sehen, dann muss
gehandelt werden. Wenn man handelt, kann man, wie an dem Beispiel
meiner Cousine zu sehen ist, sehr viel zum Positiven verändern. Je
mehr die Lehrer, also wir, auf ökonomische Bildung eingehen, den
Kindern und Jugendlichen aufzeigen, wie man mit Geld umgeht, je
weniger Verschuldung entsteht später. Bei diesem Beispiel der
Dyskalkulie muss man entsprechend zu anderen Mitteln greifen, um dem
Schüler dies klar zu machen. Es gibt immer Wege, dem Schüler auch
eine andere Sichtweise der Dinge zu erklären, sei sie im ersten
Moment auch noch so abwegig. Natürlich herrscht hier auch ein Zwang
der Erziehung vom Elternhaus. Aber wenn die Kinder und Jugendlichen
es nicht vorgelebt bekommen oder es einfach nicht verstehen, dass
etwas "im Wege" steht, dann müssen wir in diesem Fach erst
recht mehr das Augenmerk darauf legen. Kinder müssen lernen, wie man
mit Geld umgeht.
Quellen:
[1]
https://www.bvl-legasthenie.de/dyskalkulie.html
Hey Solveig,
AntwortenLöschendas ist ein sehr interessantes Thema und es regt einen zum Nachdenken an. Es ist sehr wichtig, das jeder Mensch diese Grundlagen gelehrt bekommt und das man als Lehrkraft solche Probleme bei den Schülern auch erkennt und versucht spezifisch auf die Jenigen einzugehen.
Ein sehr guter Beitrag.