Donnerstag, 15. Dezember 2022

Migration in der deutschen Start-Up-Szene: Innovation durch Diversität?

Viele Jungunternehmer*innen aus der Start-Up-Szene zieht es nach Europa – Deutschland ist ein wichtiger Standort für Gründer*innen aus dem Ausland und profitiert wirtschaftlich von ihnen. Doch viele gut ausgebildete Migrant*innen werden bei der Gründung ihrer Unternehmen vor Probleme gestellt – obwohl nun eine Studie zeigt, dass ein enger Zusammenhang zwischen Innovation und Diversität besteht.

In Deutschland hat sich in den letzten Jahren eine vielfältige Start-Up-Szene entwickelt. Nicht nur die Unternehmen fallen mit verschiedenen Erfindungen und innovativen Online-Plattformen auf, auch ihre Gründer*innen haben oft einen diversen kulturellen Hintergrund. 20 % der Start-Up-Gründer*innen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund.  Davon sind 59 % der migrantischen Gründer*innen im Ausland geboren und in der ersten Generation nach Deutschland eingewandert, wie der Migrant Founders Monitor berichtet.  Zudem bringen im Ausland geborene Gründer*innen eine sehr hohe Qualifikation mit. 91 % der im Ausland geborenen Gründer*innen verfügen über einen akademischen Abschluss. Demnach sind Gründer*innen mit Migrationshintergrund deutlich besser ausgebildet als durchschnittliche Gründer*innen.

Viele Vorteile migrantischer Gründer*innen

Neben einer hervorragenden Ausbildung besitzen Gründer*innen mit Migrationshintergrund laut des Migrant Founders Monitor den notwendigen Unternehmergeist, um ein Startup erfolgreich zu führen. Dazu gehören insbesondere Fähigkeiten und Kompetenzen wie das nötige Wissen über internationale Märkte aber auch die verschiedenen Sprachkenntnisse, die Gründer*innen mit Migrationshintergrund haben. Auch die Bereitschaft Risiken einzugehen, sowie die Fähigkeit zu träumen und schöpferisch zu denken, sind entscheidende Komponenten, um als Unternehmen zu wachsen und sich als Start-Up zu entwickeln.

Deutschland als geeigneter Gründungsstandort für Unternehmer*innen

Deutschland spielt hierbei eine entscheidende Rolle als Zuzugsort und rückt zunehmend in den Fokus für Gründer*innen aus der ganzen Welt. Insbesondere Berlin steht hierbei als zentraler Standort im Fokus. Die Herkunftsländer der Gründer*innen verteilen sich breit über die ganze Welt, jedoch ist ein Schwerpunkt bei den Nachbarländern sowie bei typischen Herkunftsländern wie Frankreich und der Türkei zu erkennen. Aber auch Länder wie Indien und Russland wurden bei den Befragten des Migrant Founders Monitor mehrfach erwähnt.

Der gebürtige Inder Narem Shaam entschied sich im Jahre 2012 nach Berlin zu ziehen, um die Reiseplattform Omio zu gründen, welche mittlerweile auf einen Gesamtwert von mehr als einer Milliarde Euro geschätzt wird. Berlin überzeugte ihn damals mit dem vielversprechenden Startup-Ökosystem. Speziell die zentrale Lage in Europa sowie die Vielzahl an internationalen technisch versierten Fachkräften ließ seine Wahl auf Berlin fallen. Zudem beeindruckte ihn auch der bezahlbare sowie hohe Lebensstandard. In Verbindung mit der guten Infrastruktur erschien ihm Berlin als idealer Ort zur Gründung seines Start-Ups.

Erfolgreiche Unternehmen mit so hohem Wachstum und enormen Umsätzen sind entscheidend, um Deutschland als internationalen Gründungsstandort zu festigen und somit zahlreiche sowie zukunfsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Tao Tao, Gründer der Online-Tourismusplattform GetYourGuide sagt dazu: „Werte und talentierte Köpfe sind die einzig nachhaltigen Ressourcen Europas. Um dem Fachkräftemangel aktiv entgegenzuwirken ist die Förderung qualifizierter Zuwanderung alternativlos.“ Als Einwanderer und Gründer eines Unternehmens, das von Talenten aus aller Welt angetrieben werde, spreche er aus eigener Erfahrung: Der Standort Europa könne nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn junge Talente ihre Zukunft in Europa sehen, so Tao Tao. Gründer*innen mit Migrationshintergrund sind also maßgeblich daran beteiligt, die Zukunft Deutschlands entscheidend zu prägen – und das nicht nur gesellschaftlich, sondern vor allem in ökonomischer Hinsicht.

Viele Herausforderungen für Gründer*innen mit Migrationshintergrund

Die Studie des Migrant Founders Monitor zeigt eindeutig einen engen Zusammenhang zwischen Innovation und Diversität. Die erfolgreiche Gründung eines Unternehmens ist also von wirtschaftlicher und besonders gesellschaftlicher Offenheit abhängig.

Paradebespiel für den Zusammenhang von Innovation und Diversität sind die Mitgründer*innen der Mainzer Impfstofffirma Biontech UgurSahin und Özlem Türeci. Als türkischstämmiges Paar entwickelten sie in nicht einmal einem Jahr den ersten zugelassenen mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus und sorgten so für zahlreiche Schlagzeilen zum Thema Migration und Innovation.

Desto erschreckender ist es, dass Gründer*innen mit Migrationshintergrund eine Vielzahl an Erschwernissen in ihrem Alltag erleben müssen. Insbesondere bei der Finanzierung ihrer Unternehmen werden Problematiken sichtbar. In der Studie wird deutlich, dass Gründer*innen mit Migrationshintergrund deutlich weniger finanzielle Unterstützung als andere Gründer*innen erfahren.

Zudem stellen sprachliche sowie bürokratische Herausforderungen die Gründer*innen mit Migrationshintergrund vor Probleme. Beispielsweise beim Beantragen einer Arbeitserlaubnis, eines Visums, einer Meldeerlaubnis oder Eintragung als GmbH. Die Formulare sind alle auf Deutsch, was oft eine große Herausforderung für Gründer*innen der ersten eingewanderten Generation darstellt und zu sprachlichen Missverständnissen führt.

Eine weitere zentrale Hürde ist das oft fehlende Netzwerk von migrantischen Gründer*innen. Es wird deutlich, wie wichtig insbesondere das gezielte Schaffen eines Netzwerks von innovativen und ambitionierten Gründer*innen mit Migrationshintergrund ist, um die Attraktivität Deutschlands als Startup-Standort zu etablieren und ihnen den Einstieg in die Arbeitswelt deutlich zu erleichtern.

Um diesen Problematiken entgegenzuwirken fordert Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung: „Migrant Founders sollten bei der Vernetzung, etwa mit Wissenschaftseinrichtungen, mehr Unterstützung erhalten“. Aber auch der Abbau von bürokratischen Hürden, die Einführung mehrsprachiger Formulare und mehr finanzielle Anreize könnten ein weiterer Schritt dahin sein, Deutschland als Gründungsstandort für junge Unternehmer*innen mit Migrationshintergrund attraktiver zu machen. Denn eine diverse Landschaft innovativer Start-Up-Unternehmen kann den Standort wirtschaftlich entscheidend voranbringen. 


Quellen:


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