Donnerstag, 22. Januar 2015

Tschüss Kapitalismus, oder?

Tschüss Kapitalismus, oder?
Vom Haben zum Teilen

von Steffen Mayer und Vanessa Wendel


Viele junge Menschen wollen heute nicht mehr kaufen. Tauschen, Leihen und Teilen ist im Trend. Doch was verbirgt sich hinter dem Mythos der Sharing Economy?


Das Prinzip der Sharing Economy ist einfach: mehr nutzen, weniger besitzen. Es geht nicht mehr um Eigentum, sondern um den Zugang zu Dingen oder Dienstleistungen. Keine teure Taxifahrt mehr bezahlen, dafür sich über Uber eine Art privaten Fahrer suchen, keine Ferienwohnung mehr bezahlen, sondern sich ein Sofa über Couchsurfing für ein paar Nächte leihen. Und wer schnell eine Bohrmaschine braucht kann über Zilok.com schnell einen Eigentümer finden, der diese verleiht. In manchen Städten der USA kann man sich inzwischen sogar einen Hund für ein paar Stunden mieten. Die Ökonomie des Teilens hat inzwischen alle Lebensbereiche erfasst.


Betrachtet man die gesamte Lebensdauer einer Ressource, wird sie natürlich auch dann „geteilt“, wenn sie nicht nur temporär – wie bei Vermietung oder Leihe, sondern dauerhaft ein Besitzübergang stattfindet. Der klassische Flohmarkt oder eBay kann in diesem Sinne als der bekannteste Online-Sharing Dienste verstanden werden.


Übersicht der verschiedenen online sharing-Konzepte

Abgrenzung des Begriffs Sharing Economy
Die Sharing economy umfasst also viele Bereiche und die unterschiedlichen Konzepte und ihre Definitionen sind an ihren Grenzen fließend. Von „Sharing“ im Sinne der Sharing Economy kann man sprechen, wenn zwei oder mehr Personen ein Produkt nutzen und der Besitzer auch unter den Nutzern ist. Diese Bedingung würde jedoch alle professionellen Anbieter ausschließen.


Rachel Botsman und Roo Rogers unterscheiden in ihrem Buch „What’s Mine Is Yours – The Rise of Collaborative Consumption” (2010), welches als das Manifest der Sharing Economy gilt, zwischen Product Service Systems (Call-a-Bike), Redistribution Markets (eBay, quoka) und Collaborative Lifestyles (airbnb, mitfahrgelegenheit).


Die Botschafter der Bewegung vergleichen die aktuellen Entwicklungen mit vergangen Epochen - vor allem den 1970er Jahren, in denen vielfach in den USA vom gemeinsamen Nutzen geträumt wurde, auch als Antwort auf das kapitalistische System. Eine Kultur der Gemeinschaft war das Ziel, ob als Konsument oder Anbieter. Damals setzte sich die Idee nicht durch. Was ist heute anders?




Um zu teilen muss man besitzen
Wenn man die Szene der neuen ökonomischen Bewegung genauer betrachtet, muss man feststellen, dass sie nicht zu viel mit den Siebzigern gemeinsam hat. Es sind aktuell junge Menschen für die die Vernetzung durch Internet zum Alltag gehört. Man teilt seine Fotos, Erlebnisse und sogar Freunde auf Facebook und Twitter. Zu dem Prinzip des Teilens gehört für die meisten jedoch nicht das Verzichten dazu, sondern eher das Gegenteil: mehr besitzen, mehr erleben – es kommt zu einer Ausweitung des Konsumverhaltens. Hinzu kommt, dass man ohne Besitz nicht tauschen kann. Das heißt man muss entweder Dinge besitzen, die man verleihen oder vertauschen kann, oder man muss trotz allem zahlen.


Doch vielen Nutzern geht es auch um mehr. Eine Studie des Bundesumweltministeriums bestätigte, dass es unter den jungen Deutschen eine wachsende Sensibilität zum Thema Umweltschutz und nachhaltiger Wirtschaft gibt. Wir wollen nicht mehr in einer Wegwerfgesellschaft leben, sondern Alternativen haben.
Und wir wollen dies zeigen, wenn nicht sogar inszenieren.


Rachel Botsman schreibt: „The currency of the new collaborative economy is trust.“ Damit verweist sie auf soziale Netzwerke und die Präsentation aller Beteiligten innerhalb der sharing economy. Wer kein seriöses Profil vorweisen und/oder kein Vertrauen von anderen zugesprochen bekommt, wird innerhalb der community kein Erfolg haben. Weiter braucht die “Ökonomie des Teilens” vereinbarte Regeln.


Zwischenstand
Festzuhalten ist, dass Teilen kein neues Phänomen ist. Noch heute ist es für viele Menschen völlig normal sich in der Nachbarschaft den Rasenmäher oder die Bohrmaschine zu leihen. Verändert haben sich lediglich die Rahmenbedingungen. Wir können heute das Internet als Zugangsmöglichkeit zu einer endlos erscheinenden Nachbarschaft nutzen. Zugleich haben wir dadurch einen schnelleren Zugriff auf eine größere Auswahl an Gütern und Dienstleistungen bekommen. Das hat allerdings auch Veränderungen zur Folge, die bisher noch nicht feststehen und kontrovers in verschiedenste Richtungen geführt werden.. Die einfachen Gefälligkeiten aus Freundlichkeit oder aus Nachbarschaftsdienst, wie das Verleihen einer Bohrmaschine oder das Blumengiessen während des Urlaubs, wird möglicherweise zukünftig einen Preis bekommen und dieser dann auch in welcher Form auch immer, zurückgezahlt werden müssen. Kritiker der gemeinsamen Nutzung und des Teilens sehen dadurch einen Rückgang des Wohlstandes aufgrund mangelnder Nachfragemärkte. Während andere die Politik fordern neue Richtlinien dafür zu definieren, finden andere durch den gemeinsamen Konsum eine positive Bestätigung in ihren Lebenswirklichkeiten und einen Schritt die Welt zu verändern.   





Links:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/share-economy-uber-und-airbnb-deutsche-wollen-nicht-teilen-a-997502.html





http://www.cicero.de/salon/share-economy-der-schein-des-teilens/58528

http://future.arte.tv/de/sharing-economy

Unterrichtsmaterialien:

Übersicht über sämtliche deutschen Sharing-Konzepte und –Plattformen:
http://www.deutsche-startups.de/2013/07/02/sharing-economy-alle-konzepte/

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